News aus unseren Verein

Organisierte Nachbarschaftshilfe durch Stundentausch

Einerseits gibt es häufig Situationen, bei denen man kleine Hilfsdienste im Haushalt, Garten oder bei Einkaufsfahrten benötigen würde. Da wäre guter Rat teuer! Andererseits haben viele Menschen in der näheren Umgebung oft genug Zeit und eine Menge Fähigkeiten, wissen aber nicht, wie sie diese sinnvoll einsetzen könnten. Gerade bei älteren Personen stellen sich solche Fragen vermehrt – auch in der eigenen Gemeinde.

Fünf Vereine im Bezirk Kirchdorf
Vor über zwölf Jahren wurde dafür das Modell „Zeitbank“ entwickelt. Es handelt sich dabei um eine Art Plattform, bei der nachbarschaftliche Hilfen angeboten bzw. in Anspruch genommen werden können. Die organisierten Nachbarschaftshilfen basieren auf örtlichen Vereinen, die genau diese Menschen zusammenführen sollen. Einmal als Vereinsmitglied eintragen, bekommt man bei den monatlichen Treffen („Stammtische“) Informationen über die in der Gemeinde angebotenen Hilfsdienste. Aber es besteht auch die Möglichkeit, die eigenen Fähigkeiten dabei anzubieten. Bezahlt wird dabei nicht mit Geld oder kleinen Geschenken, sondern ausschließlich in Form von Stunden, sogenannten Zeitschecks. Eine Besonderheit dabei ist, dass bei der Leistungserbringung jede Tätigkeit gleich viel wert ist. So wird für eine Stunde Kleider bügeln exakt so viel verrechnet wie für eine Stunde Nachhilfeunterricht in einer Fremdsprache. Die Mitgliedschaft ist grundsätzlich an keine Altersgrenze gebunden. Lediglich die Volljährigkeit (18 Jahre) muss gegeben sein.
Verwaltet wird der Stundentausch durch den örtlichen Zeitbank-Verein mit Unterstützung eines EDV-Programms.
In Österreich gibt es knapp 30 Vereine – und es werden jährlich mehr – bei denen man jederzeit Mitglied werden kann. Im Bezirk Kirchdorf gibt es Vereine in Klaus-Steyrling-Kniewas, Kirchdorf, Molln, Pettenbach und Schlierbach.

Europäischer Zeitbank-Verbund
Aber auch über die Grenzen von Österreich hinaus hat sich die ZEITBANK-Idee bereits verbreitet. In Pilsen (Tschechei) gibt es ebenso Vereine (http://www.sousede-plus.cz) wie in Deutschland (www.zeitbankplus.de). Weitere europäische Länder haben uns ebenfalls bereits kontaktiert.


Albrecht Schrutka von der Zeitbank Molln ist 99 Jahre alt

Ein ganz besonderes Ereignis war der monatliche ZEITBANK 55+ Stammtisch in Molln Ende September. Viele Zeitbank-Mitglieder waren gekommen, um Albrecht Schrutka-Rechtenstamm zum 99. Geburtstag zu gratulieren. Schrutka lebt in Molln-Ramsau und ist seit 2012 Zeitbank-Mitglied. „Wenn es meine Gesundheit erlaubt, komme ich jeden Monat zum Stammtisch. Ich freue mich immer wieder auf die netten Plaudereien im Kreise meiner Freunde. Für mich eine willkommene Abwechslung zum Alltag“, meinte Schrutka anlässlich der Gratulation durch den Mollner Zeitbank-Obmann Alexius Gruber und Dachverbandsmitglied Johannes Ebert.

Schrutka wurde am 22. September 1919 im Schloss Friedheim in St. Peter bei Leoben geboren und übersiedelte mit seiner Familie 1927 nach Wien. Er besuchte das Gymnasium in Kremsmünster und maturierte im Jahre 1937. Er war Soldat beim österreichischen Bundesheer und der deutschen Wehrmacht. Da der Jubilar aus einer Juristenfamilie stammte, war das JUS-Studium vorprogrammiert. Ein Semester studierte Schrutka sogar an der Universität in Königsberg (Ostsee). Studienreisen führten ihn aber auch nach Paris und Metz. Albrecht Schrutka-Rechtenstamm begann seine Richtertätigkeit in Oberösterreich, war von 1954 bis 1959 Vorsteher des Bezirksgerichtes in Schladming und wurde anschließend zum Richter des Kreisgerichtes Leoben ernannt. Mit 65 Jahren trat er in den Ruhestand.

Der monatliche Besuch des Zeitbank-Stammtisches in Molln ist für den Jubilar ein Fixpunkt. „Ernst Ecker holt Hofrat Schrutka mit seinem Auto ab und bringt ihn nach dem Besuch des Stammtisches auch wieder gut nach Hause. Nur ein Beispiel für lebendige Nachbarschaftshilfe im Sinne der ZeitBank-Philosophie“ sagte Obmann Gruber anlässlich der Geburtstagsfeier.


Gemeinsam in eine gute Zukunft

Vergangene Woche trafen sich Mitglieder aus Deutschland, Tschechien und Österreich in Schlierbach, um das elfjährige Jubiläum der Zeitbank 55+ zu feiern.

Elf Jahre sind seit der Gründung der ersten Zeitbank 55+ in Molln vergangen und die Idee hat sich seither weit über die Grenzen Österreichs verbreitet. Mittlerweile gibt es rund 60 Vereine mit insgesamt über 1000 Mitgliedern in Deutschland, Tschechien und Österreich.
Beim zweitägigen Jubiläumsfest wurden u. a. das Stift Schlierbach sowie der Maultrommelschaubetrieb Wimmer und die Schmiede Schmidberger in Molln besichtigt.
In mehreren Arbeitsgruppen wurde aber auch über aktuelle Aktivitäten berichtet und Zukunftsvisionen erarbeitet. Die Zeitbank 55+ soll in Zukunft nicht nur ein Verein für ältere Menschen sein, sondern vermehrt Jüngere und Familien ansprechen. Dadurch sollen die Angebote erweitert und die Unterstützung noch umfassender werden – Leistungen die früher in der Großfamilie übernommen wurden, können durch die Zeitbank-Familie abgedeckt werden. Ältere unterstützen die Jungen z.B. bei der Kinderbetreuung, beim Kochen oder im Garten. Die Jungen können im Gegenzug z.B. bei technischen Problemen helfen, Einkäufe miterledigen oder Fahrdienste anbieten.

„Wir haben die fortschreitende Anonymisierung der Gesellschaft eine Zeitlang beobachtet und die Thematik 2006 im Rahmen eines EU-Förderprojektes schließlich aufgegriffen und in Molln (OÖ) die erste Zeitbank 55+ gegründet. Der große Erfolg und die hohe Zufriedenheit der Mitglieder zeigen, wie wichtig und wertvoll diese organisierte Nachbarschaftshilfe bereits ist“ betonte Dachverbandsobmann Fritz Ammer im Rahmen seiner Festrede. „Unsere Vereinsmitglieder helfen sich gegenseitig und ganz unbürokratisch, die kleinen alltäglichen Hürden zu meistern“, fügt er erklärend hinzu „und das lokal, überparteilich und überkonfessionell.“